Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

2016-07-11 13:12
von Dr. Hermann Fischer

Die FAS wirft unter der Überschrift „Die Rockefellers und das Öl“ ein Licht auf die bemerkenswerte Geschichte der vielleicht bekanntesten, jedenfalls ersten Erdöl-Dynastie der Welt – und vor allem auf die unerwartete Wendung, welche die Ausrichtung dieser „Öl-Familie“ unlängst genommen hat:

„Der radikale Bruch mit der Vergangenheit vollzieht sich in einer sonderbaren Mischung aus Pathos und Sachlichkeit. Der Rockefeller Family Fund verkündet ‚stolz‘ das Ende seines Investments in fossile Energien, schreibt die gemeinnützige Stiftung auf ihrer Internetseite. Es sei unnötig zu betonen, dass die Rockefeller-Familie eine lange und profitable Verbindung zur Ölindustrie gehabt habe, betont sie. Die Entscheidung, sich von dieser Vergangenheit zu lösen, sei deshalb nicht leichtfertig und erst nach reiflicher Überlegung getroffen worden. ‚Aber die Geschichte schreitet voran‘ heißt es, fast schon schwermütig. Denn es gebe schlicht keine rationale Begründung, weder ethischer noch finanzieller Art, weiter in diese Energieform zu investieren.“

Fast könnte man kommentierend ausrufen: Völker, höret die Signale … Jedenfalls häufen sich mit solchen Meldungen unübersehbar die Anzeichen für einen grundlegenden Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft, welcher der hier diskutierten Chemiewende den Boden bereitet. Dazu gehört auch der G7-Beschluss von Elmau, bis zum Ende des Jahrhunderts vollständig aus der Nutzung fossiler Ressourcen auszusteigen. 2099, das klingt noch lange hin. Aber der größte Teil der Kinder, die 2016 geboren wurden, werden diesen Zeitpunkt vermutlich noch selbst erleben. Und vor allen: sie sind es, die den Wandel, der bereits begonnen hat, dann in seinem schwierigeren und komplizierteren Teil in die Realität umsetzen muss

Die ersten 20% der Defossilierung sind relativ leicht zu bewältigen. Selbst die sehr strukturkonservative Chemieindustrie hat ja schon heute die 10%-Schwelle überschritten. Schwieriger wird es in den 2030er bis 2050er Jahren, wenn wir uns einer 50%-Konversion fossil zu biogen nähern. Allerdings wirken dann wohl auch schon selbstverstärkende Kräfte, wie bei allen wichtigen gesellschaftlichen Umwälzungen der Vergangenheit: neben den Schwierigkeiten und der Aufgabe alter Gewohnheiten werden dann nämlich die Vorteile für Mensch und Umwelt immer deutlicher werden.

Und wer die Signale nicht hören will, muss bekanntlich fühlen. RWE, Eon und Konsorten saßen noch vor wenigen Jahren auf dem höchsten Ross, konnten sich (auch fast nur Männer …) noch breitbeinig und schenkelklopfend über die „weltfremden Ökos“ lustig machen. Diese Lustigkeit ist ihnen längst vergangen. Das viel zu späte Erkennen des Wandels zu den erneuerbaren Energien und weg von Atom, Kohle und Öl hat sie vielmehr an den wirtschaftlichen Abgrund geführt.
Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum wir die Chemiewende beherzt und kreativ umsetzen sollten: dann können wir nämlich den großen Chemiekonzernen womöglich das Schicksal von RWE gerade noch ersparen.

(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 12 (27.3.2016) S. 24 (Rubrik Wirtschaft))

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