Unwort "Biomasse"
Wenn im Zusammenhang mit Chemie von "Biomasse" die Rede ist, geht es meist um Pflanzenstoffe, die für chemische Prozesse oder Produkte verwendet werden sollen. Das Problem mit diesem Begriff: hinter einer solchen pauschalisierenden Bezeichnung eines massenhaft anfallenden Pflanzenmaterials geht die unglaubliche Variabilität und Vielgestaltigkeit der Pflanzenwelt verloren - von dem individuellen Reichtum jeder Pflanzenart an vielfältigsten, zum Teil hochkomplexen physikalisch-chemischen Strukturen und deren enormer funktionaler Breite ganz zu schweigen.
Mit anderen Worten: bei einer eher gestaltlosen "Biomasse", die im Grunde oft als "dumme, aber nachwachsende Kohlenstoffquelle" gesehen wird, fällt es leicht, diese in "Bio-Raffinerien" ganz analog zu ptrochemischen Raffinierien zu verarbeiten, ohne Rücksicht auf die individuellen chemischen Potentiale der eingesetzten Pflanzen. Mit einer solchen Vorgehensweise wäre zwar auch schon eine Art "Defossilierung" der Chemie erreicht, aber unter Erhalt und Förderung von zentralistischen, monopolisierenden Strukturen in der Agrarindustrie und in der Chemie, die durch eine klug organisierte, die Vielfalt und Dezentralität pflanzlicher Photosynthese nutzende Chemiewende eigentlich überwunden werden sollten.